Containern - Eine Alternative zum Einkauf unterwegs?
Containern - Eine Alternative zum Einkauf unterwegs? | Du bist in deinem Bus unterwegs, Radio laut, Solarplatte auf dem Dach, auf dem Weg aus Brandenburg raus nach Süden. Die Bretagne ist dein Ziel, vielleicht auch Portugal oder das Mittelmeer. Egal! Bei deinem ersten Zwischenstop in Stuttgart merkst du: Verdammichnocheins! Die Essenskiste steht noch im Flur. Dein Reisebudget ist knapp und du hast keinen Bock auf McDoof oder Snäcks von Aldi. Dann ist containern die passend aufregende und kostengünstigste Variante der Essensbeschaffung! Klingt komisch? Ist es vielleicht auch. Aber es ist auch die Erfahrung, die ich machen durfte.
Hi, ich heiße Merten. Ich bin Mitte zwanzig und studiere im Master Soziologie und Kommunikationspädagogik in Münster. Abseits davon investiere ich viel Zeit in meine Band und den Umweltschutz und wenig Geld in Essen. Seit November 2019 habe ich meine monatlichen Ausgaben für Lebensmittel auf einen Bruchteil des vorherigen reduzieren können. Denn seit einem knappen halben Jahr gehe ich regelmäßig containern. Doch was ist das eigentlich?
Was heißt containern?
Containern gehen heißt für mich, die Biotonnen von Supermärkten nach noch essbaren, haltbaren, verwertbaren Lebensmitteln wie z.B. Obst, Gemüse, aber auch abgepackten Waren wie Nudeln, Sojajoghurt oder Säfte zu durchforsten. Dabei kannst du einiges beachten. Deshalb habe ich hier ein paar wichtige Tipps und Hinweise für dich!
Warum gehe ich containern?
Hier kann ich natürlich nur für mich sprechen. Mich persönlich kotzt es an, dass jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden. Das entspricht 18.000.000.000 Kilogramm oder 180.000.000 Tafeln Milka Alpenmilch, die aufeinander gestapelt 1620 Kilometer hoch über die Stadt ragen. Du stehst nicht auf Schokolade? Dann versuche dir 45 Milliarden Avocados vorzustellen. Gestopft in Mülltonnen. Das fällt dir schwer? Mir auch. Aber das sind die absurden Mengen, die hierzulande weggeworfen werden. Dass tierische Produkte wie Käse und Frischfleisch auch dabei sind, trifft mich persönlich noch härter, weil an dieser Stelle umsonst Leben genommen werden. Aber genug moralisiert. Auch für den Geldbeutel ist containern interessant. Ich habe früher 100-150€ für Lebensmittel monatlich ausgegeben. Mittlerweile bin ich bei 20-50€ und kaufe alles Nötige in Unverpacktläden oder dem Superbiomarkt. Das war mir vorher nicht möglich. Ein schöner, kleiner Nebeneffekt ist außerdem der Spaß, den ich empfinde, wenn ich mit Freunden kleine Abenteuer erlebe und neue Orte in der Stadt entdecke. Mittlerweile ist rund um das Containern eine wahnsinnig tolle Community gewachsen, die mir sehr viel gibt. Vielleicht wirst auch du bald Teil davon?
Wo gehe ich am besten containern?
Diese Frage lässt sich leider überhaupt nicht pauschal beantworten. Die Situation ist von Land zu Land, von Stadt zu Stadt von Supermarktkette zu Supermarktkette und von Filiale zu Filiale unterschiedlich. Münster ist eine Stadt, in der man sehr gut containern kann. In Hannover z.B. gestaltet sich das meiner Erfahrung nach schwieriger. Der Discounter LIDL und die Superbiomärkte schmeißen in Münster sehr wenig weg und spenden sehr viel. Dort gibt es selten überhaupt was zu holen.
Zum Containern eignen sich alle Filialen, deren Biotonnen zugänglich sind. Je barrierefreier, desto besser. Manche Tonnen, in denen ich suche, sind vollkommen frei zugänglich. Zu anderen muss ich z.B. über ein Tor oder einen Zaun klettern. Solange ich, um an die Tonnen zu kommen nichts beschädigen muss, kann ich den Zugang mit meinem Gewissen vereinbaren. Um herauszufinden, wo in deiner Nähe zugänglichen Tonnen stehen, gehst du am besten einfach mal an einem Nachmittag bei Tageslicht spazieren und inspizierst die Hinterhöfe, Einfahrten, Rückseiten usw. von Supermärkten in deiner Nähe. Nicht immer wirst du fündig werden. Viele Supermärkte haben ihre Tonnen in Gebäuden, im Keller oder in komplett verschlossenen Metallkäfigen stehen. Ich drücke dir die Daumen, dass du fündig wirst!
Wann gehe ich am besten containern?
Gute Frage! Und eine, die leichter zu beantworten ist. Im Idealfall gehst du eine Stunde nach Ladenschluss containern. Im Winter, wenn es draußen kalt genug ist, dass die Lebensmittel in den Tonnen nicht verderben, kann man auch bequem sonntags tagsüber losziehen. In den wärmeren Monaten empfehle ich aus hygienischen Gründen spätestens Samstagabend containern zu gehen.
Alleine trau ich mich nicht!
Mit wem gehe ich containern? Wenn du denkst, deine Freunde sind offen für ein kleines Abenteuer, dann frag sie einfach mal! Vielleicht geht es ihnen genau wie dir! Wenn du neu in deiner Stadt bist oder viel von Stadt zu Stadt cruist, empfehle ich dir den Instagramaccount @2fresh2trash zu besuchen. Dort findest du gut sichtbar Beiträge zum Hashtag #bettertogether. Es gibt mittlerweile neben einem deutschlandweiten Beitrag auch einen für jedes Bundesland. Unter den Beiträgen finden sich Leute zu Containergruppen zusammen. Für viele Städte gibt es Facebook- oder Whatsappgruppen. Du findest bestimmt auch einen ansprechbaren Menschen für die Stadt, in der du gerade bist!
Ich gehe gerne mit meiner Partnerin und Menschen aus dem Freundeskreis zusammen containern. Manchmal sind insgesamt vier verschiedene Haushalte beteiligt, sodass auch bei wirklich großen Mengen alles aufgeteilt und verbraucht werden kann.
Container ist illegal!
Containern ist in Deutschland eine Ordnungswidrigkeit. Eine Ordnungswidrigkeit ist zum Beispiel auch Falschparken. Wer containern geht begeht meistens mindestens Hausfriedensbruch nach § 123 Strafgesetzbuch (StGB), da das Betreten des Grundstücks unberechtigt erfolgt. Das Mitnehmen von Müll gilt hierzulande darüber hinaus als Diebstahl. Denn der Müll ist weiterhin Eigentum des Supermarktes oder aber Eigentum der Abfallentsorgungsbetriebe. Er gehört in jedem Falle irgendwem. Und ab hier wird es schwammig. Ich habe nur folgende gesicherte Information: Ob die weggeworfenen Lebensmittel noch fremd (das heißt: nicht deine!) im Sinne von § 242 StGB und damit diebstahlsfähig sind, richtet sich danach, ob der Supermarkt das Eigentum an dem Essen aufgegeben und dieses damit herrenlos gemacht hat. Herrenlos wird eine Sache dann, wenn man den Besitzwillen daran aufgibt, § 959 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wann die Supermarktbetreiber das tun, ist weder höchstrichterlich noch in der juristischen Literatur geklärt. Extreme Fälle können auch als Einbruch und Sachbeschädigung gelten.
Bricht man dann auch noch einen verschlossenen Container auf, begeht man zusätzlich eine Sachbeschädigung, § 303 StGB. Sie ist schon ein relatives Antragsdelikt – theoretisch könnte die Staatsanwaltschaft dieses Vergehen also auch unabhängig vom Willen des Supermarktes verfolgen [1].
Der „Willen des Supermarktes“ bedeutet hier, dass sowohl der Hausfriedensbruch als auch der Diebstahl beim bzw. durch das Containern nur dann verfolgt werden kann, wenn der Supermarktbetreiber dich anzeigt. Das ist zum Glück aber gar nicht immer der Fall. Das heißt konkret folgendes: Selbst wenn euch jemand erwischt, heißt das nicht, dass ihr angezeigt werdet. Ich habe es bereits mehrfach erlebt, dass wir in den Tonnen suchten, während Mitarbeiter direkt daneben ihr Feierabendbier verschnabulierten und sogar passende Musik (z.B. „Alles nur geklaut“ von den Prinzen) auflegten. In meinem Umfeld wurden aber auch bereits drei Fraktionen ertappt und angezeigt. Keine*r jedoch wurde bestraft, niemand hat letztlich ein Bußgeld gezahlt, Sozialarbeitsstunden verrichtet o.ä. Meistens war nach zwei Briefen von der Polizei Schluss. Der letzte Brief liegt nun zwei Jahre zurück und wir gehen davon aus, dass nichts weiter passiert. Es gibt einige interessante Geschichten, in denen z.B. ein Rewemarkt Anzeige erstattete, die Gerichtsverhandlung stand an und am Vortag wurde die Anzeige aufgrund des öffentlichen Drucks zurückgezogen.
Die höchste mir bekannte Strafe erließ das Amtsgericht (AG) Düren, das die Containerer zunächst zu Geldstrafen von 30 und 70 Tagessätzen à zehn Euro verurteilte (Urt. v. 19.02.2013, Az. 10 Ds 288/12). Tagessätze richten sich nach deinem Nettoeinkommen. Im Führungszeugnis landet Containern übrigens nicht. Oder sagen wir, es ist sehr unwahrscheinlich, bei der ersten Verurteilung sogar quasi unmöglich. Bei wiederholter Verurteilung kann es jedoch dazu kommen. Wie genau an diesem Punkt die rechtliche Lage aussieht, weiß ich jedoch nicht.
Ich persönlich empfinde das Containern als etwas Gutes und es bereitet mir Spaß auf diese Art etwas zu tun, ein Zeichen zu setzen, Menschen zu inspirieren. Containern ist jedoch nur Symptom und nicht die Lösung des Problems. Darüber hinaus schildere ich hier vor allem persönliche Erfahrungen und Ansichten. Ich hafte nicht für die Angaben und rufe auch ganz explizit nicht zu Straftaten auf. Mein Anliegen ist es, dir die Aktivität Containern vertrauter zu machen.
Auf diesen Instagramaccounts findest du immer wieder Informationen zum und Eindrücke vom Containern:
Nun bist du an der Reihe, wie siehst du das ganze Thema Containern? Warst du schon einmal containern, oder traust du dich nicht? Lass uns mal über das Thema diskutieren. Ist es eine gute Alternative um unterwegs Geld zu sparen?
Dein Vanlüstling
Mogli & Team
Kommentare
Neuer Kommentar